Bunte, saisonale und regionale Tavolata vom Lotti Lokal

Gastrotalk mit Ralf Weber, Restaurant Lotti

Ich will die Bauern kennen!

Ralf Weber, Mitinhaber des Restaurants «Lotti» am Werdmühleplatz in Zürich, will wissen, wie die Tiere seiner Partner gehalten werden. Er ist der festen Überzeugung: Das Tierwohl wirkt sich auf die Qualität des Fleisches aus.


Ralf, was verbindet dich mit Ueli-Hof?

Es ist der kompromisslose Umgang mit Fleisch und wie man es produziert. Ich will die Bauern kennen, will wissen, wie die Tiere gehalten werden und verarbeite nur Fleisch, das selber geschlachtet wird. Ueli und Walter lernte ich an einer Messe in Zürich kennen, wo sich Handwerksbetriebe vorstellten. Bis dahin wusste ich nichts von einer Warmfleischmetzgerei in der Schweiz, wie ich sie von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Deutschland kannte. So kamen wir ins Gespräch. Nachdem ich den Hof besuchte, war ich der festen Überzeugung, dass wir dieselbe Haltung zum Umgang mit Tieren teilen.


Ihr setzt stark auf regionale, saisonale und nachhaltig produzierte Produkte. Wieso?

Wir verarbeiten nur das, was gerade auf dem Markt verfügbar ist. Zwei bis drei Mal pro Woche besuche ich den Markt in Zürich. Mein Gemüse stammt zu 80% von Bauern aus dem Kanton. Wir kaufen nur dazu, was hier keinen Sinn macht zu kultivieren wie zum Beispiel Zitrusfrüchte oder die ganze Palette an Gewürzen. Ich höre oft, dass die regionale und saisonale Küche herausfordernd ist. Dem ist nicht so! Das sind Ausreden von Köchen, die zu faul sind, sich damit auseinanderzusetzen.

Das frisch geerntete Gemüse als Grundlage für die Menükreation zu nutzen macht Spass. Ich mag es lieber, ein bisschen Kreativität an den Tag zu legen, als dem neuesten Trend der Avocado hinterherzurennen.


Bei euch kriegt der Gast Ueli-Hof’s Special-Cuts vom Holz-Grill. Wieso bietet ihr überwiegend Special-Cuts an?

Bei uns ist alles ein bisschen anders. Mittags kochen wir klassisch vom Herd. Abends arbeiten wir statt auf dem Herd über dem offenen Feuer und zwei Öfen, die auf 400 Grad geheizt werden. Neben zwei Fischgerichten ist die gesamte Karte vegetarisch. Der Gast bestellt das Fleisch zu den vegetarischen Gerichten hinzu. Rib Eye und Entrecôte haben wir immer im Angebot. Alles andere hängt davon ab, was gerade erhältlich ist: Das kann ein Dry Aged-Stück, ein Entrecôte von der alten Kuh oder ein Special Cuts sein.


Was macht den Special Cut speziell?

Alle Fleischstücke verlangen eine andere Herangehensweise. Ein Skirt oder Hanging Tender zum Beispiel sind sehr unterschiedlich. Das Skirt ist marmoriert und sehr faserig. Damit die Röstaromen entstehen, braten wir es in der absolut heissesten Zone und lassen es danach ruhen. Wir schneiden gegen die Faser auf und legen es für die Gäste bereits geschnitten auf den Teller. Die richtige Garstufe ist essenziell, damit das Stück zart wird. Es kommt schon einmal vor, dass ich mich einer Person verweigere, wenn er ein Stück «well done» wünscht, dies dem Produkt aber nicht gerecht wird. Da kann ich nicht über meinen Schatten springen und empfehle ihr ein anderes Stück.


Wie gehst du damit um, wenn nicht immer alle Cuts verfügbar sind?

Ich bestelle nicht explizit einen Cut. Wenn ich Martin von Ueli-Hof anrufe, lautet mein erster Satz immer: «Was haste?». Im Grunde entscheidet Ueli-Hof, was ich erhalte. Ich teile einfach die nötige Anzahl Kilogramm an Fleisch mit. Sogar bei Würsten ist es mir vollkommen egal - ich bestelle schlicht Bratwürste. Ob grob, fein, gebrüht; ob Schwein, Rind oder gemischt. So schreibe ich es auch auf das Menu: Bratwurst von Ueli-Hof. Martin weiss, welche Würste ich mag.


Worin unterscheidet ihr euch von anderen Restaurants?

Special Cuts sind ein riesiges Thema, seit die Retailer sie entdeckt und laut angepriesen haben. Wenn ein Hype kreiert wird, entsteht die Masslosigkeit. So stürmten die Konsumenten zum Metzger und fragten nach Special Cuts. Sogar bei mir haben sie angeklopft. Selbstverständlich verkaufte ich aber nicht an Konsumenten. Steakhäuser gibt es viele. Wir unterscheiden uns darin, dass wir Fleisch vom Grill mit dem Nachhaltigkeits-Gedanken verbinden – mit diesem Konzept sind wir meines Wissens in Zürich einzigartig.

Zudem ist das Arbeitsklima im Lotti unterschiedlich. Wir arbeiten alle 42 Stunden pro Woche und geniessen zwei Freitage pro Woche. Ich bin viel unterwegs und habe Glück mit meiner Crew. Mein Küchenchef kann auf ein Team zählen, dessen Mitglieder selber viel Erfahrung aus Sternen-Küchen mitbringen. Sie könnten genauso gut Küchenchef oder Küchenchefin sein, bevorzugen es jedoch, einfach Teil des Teams zu sein.


Das Gottlieb Duttweiler Institut GDI forderte kürzlich, bis 2050 Fleisch von unseren Tellern verschwinden zu lassen – dem Klima zuliebe. Wie stehst du dazu?

Ich glaube nicht, dass ein kompletter Fleischverzicht die Lösung ist. Das Problem ist wie bei allem: Die gottlose Masslosigkeit von uns Menschen. Ja, wir müssen den Fleischkonsum reduzieren, müssen aber auch massiv den Import von Übersee-Zutaten einschränken. Der Import von Avocado gehört eigentlich verboten. Er zerstört ganze Regionen, benötigt so viel Wasser und beutet Menschen aus. Tierschützer bevorzugen Produkte, die keine Tiere quälen. Hingegen werden die meisten Südfrüchte wie zum Beispiel die Banane von Menschen unter erbärmlichsten Bedingungen produziert.


Es geht um den massvollen Konsum! Im Lotti beschäftigen wir uns schon sehr lange mit der Nachhaltigkeit. Ohne dogmatisch zu sein, fragen wir uns: Was macht Sinn, was nicht? Spargel und Peperoni im Januar auf dem Vegi-Teller macht keinen Sinn. Wir stellen uns selber immer auf die Prüfung und hinterfragen zum Beispiel den Verbrauch der Vakuumsäcke aus Plastik. Aus hygienischen Gründen können wir nicht gänzlich darauf verzichten. Wenn immer möglich, nutzen wir jedoch Mehrweggebinde und senken so den Vakuumverbrauch um 80%.


Bei Ueli-Hof trifft Ethik auf Genuss. Welches sind deine persönlichen Genussmomente?

Davon gibt es viele: Nachmittags im Lotti, wenn die selbstgebackenen Kuchen im Zentrum stehen, wenn ich im Raum voller Weckgläser mit selbst Eingemachtem stehe oder wenn ich den Weinkeller betrete, wo fast 10'000 Flaschen lagern.


Kochen und essen sind mein Lebensinhalt. So esse ich wahnsinnig oft bei Kollegen in deren Restaurants und koche auch zuhause. Selbst im Urlaub ist mir das Kochen wichtig. Dort verarbeite ich Zutaten, die bei uns nicht erhältlich sind. Das sind wahre Genussmomente, wenn ich zum Beispiel auf dem Markt von Kopenhagen frische Muscheln und Scholle einkaufe. Ich bin da sehr emotional und in anderen Restaurants manchmal sogar zu Tränen gerührt.